Aufgaben und Ziele

Am 6. August 1979 gründeten acht Freunde der ehemaligen St.-Anna-Kirche in Bödexen im Wohnzimmer der Gastwirtschaft Buch einen Förderverein, um mit dem Erwerb des fast 300 Jahre alten Baudenkmals dessen Erhalt möglich zu machen. Damit fanden die jahrelangen Bemühungen einzelner Bödexer Bürger ihren Abschluss und gleichzeitig wurde eine Basis für die Zukunft des Wahrzeichens von Bödexen geschaffen.

Ausschließlicher Zweck des Vereins ist lt. § 2 der Satzung „…durch Erwerb, Instandsetzung und Instandhaltung das historische Gebäude der ehemaligen St.-Anna-Kirche in Bödexen zu erhalten“.

Der Verein fand von Anfang an eine positive Resonanz bei der Bevölkerung und konnte sehr schnell viele Bürger und Institutionen für seine Ziele begeistern. Inzwischen ist der Förderverein auf über 70 Mitglieder angewachsen. Seine Altersstruktur lässt auch für die weitere Zukunft Kontinuität erwarten. So sind elf Mitglieder zwischen 17 und 30 Jahre alt und 50 zwischen 30 und 60 Jahre. Das älteste Mitglied, der Neubürger und Künstler Erich-Heinz Knupp wird in diesem Jahr 81 Jahre alt.

Der Jahresbeitrag wurde mit 12,- Deutsche Mark bewusst niedrig gehalten, um möglichst vielen Freunden der alten Kirche die Mitgliedschaft zu ermöglichen. Da dem Förderverein auch vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit zuerkannt wurde, sind Spenden steuerbegünstigt. Viele Freunde aus Nah und Fern haben inzwischen mit kleinen und großen Spenden wesentlich zum optimistischen Stimmungsbild im Verein beigetragen.

 

Aufgaben

Unmittelbar nach der Gründung des Fördervereins wurde alles in die Wege geleitet, um so schnell wie möglich das Gebäude von der Kirchengemeinde übernehmen zu können. Die Verhandlungen mit dem Generalvikariat in Paderborn zogen sich allerdings noch einige Monate hin, und so konnte erst am 11. Mai 1980 der Übertragungsvertrag von beiden Parteien unterzeichnet werden.

Noch bevor das Gebäude in das Eigentum des Fördervereins übergegangen war, wurden schon die Weichen für den ersten Abschnitt der Restaurierung gestellt. Mit Hilfe des Warsteiner Architekten Dipl.-Ing. Heinrich Stiegemann wurde ein Stufenplan für die Instandsetzung erarbeitet und ein Finanzierungsplan aufgestellt.

Durch die unbürokratische Unterstützung des Landesamtes für Denkmalspflege sowie die Landesregierung und des Kreises und der Stadt Höxter konnte schon nach wenigen Monaten mit den Arbeiten begonnen werden. Mit einem Kostenaufwand von über 80.000,- DM wurde zunächst das Dach repariert, dann das Kirchenschiff neu verputzt und gestrichen sowie die sechs großen Bildfenster restauriert.

Neben 860 freiwilligen Arbeitsstunden und der kostenlosen Gestellung eines Gerüstes musste der Förderverein einen erheblichen finanziellen Beitrag leisten. Dank der Spendenfreudigkeit der Mitglieder und vieler Freunde konnte sogar eine Rücklage für 1981 gebildet werden.

In diesem Jahr beträgt die Investitionssumme rund 60.000,- DM. Dafür sollen der Turm und das Querschiff sowie die Sockelmauer saniert und imprägniert werden. Außerdem sollen noch in diesem Jahr die Türen und die restlichen Fenster restauriert werden. Mit der Neugestaltung der Außenanlagen wird im kommenden Herbst begonnen.

Auch in diesem Jahr wurden wieder 30.000,- DM aus Mitteln der Denkmalspflege zugesagt. Der Kreis und die Stadt Höxter werden ebenfalls einen ansehnlichen Betrag zur Verfügung stellen. Außerdem wurde am 4. und 5. Juli 1981 ein Jubiläumsfest (300 Jahre Baubeginn) gefeiert, dessen Reinerlös für die Finanzierung zur Verfügung gestellt wurde.

 

Ziele

Erstes Ziel des Fördervereins war und ist es, das Gebäude für diese und kommende Generationen als Wahrzeichen von Bödexen zu erhalten. Natürlich wurde von Anfang an auch die Frage einer späteren Nutzung lebhaft diskutiert. Obwohl noch keine endgültige Meinungsbildung stattfand, sind sich alle darüber einig, dass ein leerstehendes Gebäude immer gefährdeter und schwieriger zu erhalten ist als ein bewohntes.

Grundsätzlich steht man also einer Nutzung positiv gegenüber. Eine Nutzung gleich welcher Art, bringt aber für den Förderverein mit großer Gewissheit neue Probleme, da ein wirtschaftlicher Betrieb nicht zuletzt durch Satzungsvorschriften fast unmöglich ist.

Trotzdem wurden inzwischen nach allen Seiten Kontakte geknüpft und Möglichkeiten mit den verschiedensten Interessenten diskutiert. So erscheint z. Zt. die Nutzung durch Ausstellungen und/oder musikalische Veranstaltungen durchaus denkbar.

Auf jeden Fall soll das Gebäude nach Möglichkeit auch innen renoviert werden, damit man es, so oder so, der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen kann. Der Förderverein wird jedenfalls alles tun, um die alte St.-Anna-Kirche zu einem glanzvollen Mosaikstein im Corveyer Land werden zu lassen.

Aus Monatsheft des Heimat- und Verkehrsvereins Höxter-Corvey Nr. 8/August 1981, 29. Jahrgang

 

Plädoyer für ein alt gewordenes Kirchlein

Vortrag von RA Albert Meise, gehalten am 3. September 2005 anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Fördervereins Historisches Kirchengebäude Bödexen

Mir wurde aufgetragen, zum heutigen Festakt ein Plädoyer für ein in die Jahre gekommenes Kirchlein zu halten. Ein Plädoyer ist bekanntlich das engagierte Eintreten für eine förderungswürdige Person oder Sache. Ein solches Eintreten ist natürlich nur dann möglich, wenn der Plädierende selbst von der Richtigkeit und Wichtigkeit der Sache überzeugt ist.

Das Plädoyer hat zum Gegenstand ein etwa 320 Jahre altes (in die Jahre gekommenes) Kirchlein. Da fragt man sich doch: Was macht eigentlich das Wesen und den Wert dieses Förderobjektes aus?

Nun, sehen Sie sich um, Sie befinden sich in einem historischen, säkularisierten Kirchengebäude. Um dem Wesen und der Bedeutung dieses Renaissance-Werkes näher zu kommen, müssen wir die Zeitachse ins Gespräch bringen und nach des „Priors Lehrsprüchen“ in dem Epos von „Dreizehnlinden“ rückwärts blickend vorwärts schauen.

Diese Mauern, die das Kirchengebäude bilden, sind in den Jahren 1681 bis 1683 errichtet worden. Den Anstoß und den Auftrag dazu hatte der damalige Abt von Corvey, Christoph von Bellinghausen, erteilt. Der 30-jährige Krieg war 1648 zu Ende gegangen. In den darauffolgenden 33 Jahren hatte sich die Gemeinde Bödexen von den Folgen dieses Religionskrieges erholt, die „Nachkriegsgeneration“ war herangewachsen.

Im Jahre 1700, also 17 Jahre nach Fertigstellung der Kirche, fand die wohl erste Volkszählung in Bödexen statt. Der damit beauftragte Pfarrer registrierte 69 – teils leer stehende – Wohngebäude mit 161 Einwohnern.

Im Jahre 1809 – also 100 Jahre später – waren es bereits 449 Einwohner (nach Bocholtz-Asseburg, Geschichte der Ortschaften und Sitze des Corveyer Landes, 1896).

 

Doch zurück zum Bauherren Abt Christoph von Bellinghausen:

Er stattete diese Kirche mit einem barocken Hochaltar aus, der sich bis dahin im Johanni-Chor der Corveyer Abteikirche befunden hatte. Ferner schenkte er dieser Kirche eine Glocke aus dem Turm der Corveyer Krypta. Der Chronist bemerkt dazu, eine Glocke habe sich seit Alters her bereits in Bödexen befunden.

Die Glocken läuteten in einem Dachreiter dieser Kirche. Der heute vorhandene markante Turm stammt aus dem Jahre 1923 und erhielt seine Spitze aus dem neu verwendeten Material des ursprünglichen Dachreiters.

Das Diarium Corbeiense vermerkt, dass die Kirchweihe zu Ehren der hl. Mutter Anna am 1. August 1683, einem Sonntag, unter großer Anteilnahme des Corveyer Konventes stattfand.

Auch in der Folgezeit ist der Abt wiederholt nach Bödexen gewandert (Cellsissimus mecum ivit pedes in Bodexen).

Zwischen Corvey und Bödexen bestanden also offensichtlich gutnachbarliche Beziehungen. Aus den Corveyer Traditionslisten (Nr. 117) geht hervor, dass etwa im Jahre 840 – also ca. 18 Jahre nach Gründung des Klosters Corvey im Jahre 822 und ca. 822 Jahre vor Beginn des Baus dieser Kirche „Marcbodo und Giki nebst Sohn Hunwardi übertragen 4 Hufe-Land, gelegen in Bodekishus und weitere 2 Hufe, gelegen in Altona für die Seele des Hoger, seines Vaters Marcward sowie seiner Mutter Riscuit dem Konvent von Corvey“.

Es folgen Namen von 25 Zeugen.

Altona war eine Wüstung in der Nähe von Bödexen.

Soviel zur guten Beziehung zwischen der Gemeinde Bödexen und dem Kloster Corvey.

 

Kehren wir zum Ausgangspunkt, dem Kirchenneubau, zurück:

Der vor 324 Jahren errichtete Baukörper ist schlicht und mit seinem abgerundeten Chor zweckdienlich, aber auch so solide errichtet, dass er diese 324 Jahre ohne substanzielle Schäden an Mauerwerk oder Statik überdauert hat.

Das Mauerwerk ist in gefällige Proportionen gegliedert durch die sechs großen Fenster. Diese farbigen Fenster haben im Jahre 1947 die vorher farblosen einheitlichen Fenster abgelöst. Die farbigen Fenstermotive sind dem ländlichen Leben adäquat und aktuellen sozialen Themen gewidmet:

Der gute Hirt, ein durchaus ländliches Symbol, bedarf keiner weiteren Interpretation,

der Erzengel Michael, dramatisch mit dem Drachen kämpfend,

der Erzengel Raphael als klassischer Reisebegleiter und Schutzengel verweist auf die Vergangenheit des Dorfes hin. In der örtlichen Struktur der Einwohner war vorgegeben, dass nur ein Nachkomme der kinderreichen Familie das Elternhaus und dazugehörende landwirtschaftliche Grundstücke übernehmen konnte. Die übrigen Kinder – soweit sie sich nicht im Ort entsprechend verheirateten – waren gezwungen, ihre Zukunft und ihr Glück in der Fremde zu suchen. In der Zeit der Früh- und Hochindustrialisierung des 19. Jahrhunderts wanderten jährlich nachwachsende Jugendliche ins „Bergische“ aus (ver sacrum).

Sie erlernten meist den Beruf des Maurers/Bauarbeiters und kehrten saisonbedingt im Winter in das Heimatdorf zurück oder wurden im „Bergischen“ sesshaft. Solche Bödexer Maurer und ihre Nachkommen lebten vorwiegend in Bochum. Sie unterhielten dort einen eigenen „Bödexer Verein“. Ihnen allen, die in der Fremde arbeiteten oder lebten, sollte Sankt Raphael Wegbegleiter sein.

Ein Fenster zeigt die Heimkehr des verlorenen Sohnes. Die Thematik ist ähnlich aktuell wie das Raphael-Motiv, denn sicherlich geriet auch der eine oder andere Sohn auf Abwege und wurde so ermuntert, den Weg zum Vaterhaus wieder zu begehen.

Dem Apostel Deutschlands, dem hl. Bonifatius, ist ein Fenster gewidmet, dem Missionsgedanken ein Fenster des hl. Franziskus.

Die Bödexer wussten, sie hatten einen Franziskanermissionar in Südamerika, zu dem jedoch seit dem Jahre 1941 kriegsbedingt die Verbindung unterbrochen war.

Die Glasmalerei dieser Fenster kann und will sich mit mittelalterlichen Kirchenfenstern nicht messen. Sie ist in schlichtem, aber jeden Betrachter ansprechendem Nazarener-Stil gehalten in frohstimmenden Farben und jedermann verständlich durch die lebensnahe Thematik.

Die Bödexer waren nicht nur phantasiereich und dennoch bodenständig bei der Auswahl und Ausstattung der farbenfrohen Kirchenfenster. Im Jahre 1923, als im Lande weitgehende Arbeitslosigkeit herrschte, vergleichbar unserer Zeit, regte Pfarrer Johannes Todt den Bau eines Kirchturmes an. Dieses Kirchengebäude hatte – Sie werden sich erinnern – bei der Errichtung im Jahre 1683 nur einen Dachreiter erhalten, der mit zwei Glocken ausgestattet war.

Die zahlreichen arbeitslosen Maurer, die auch im „Bergischen“ keine Beschäftigung mehr fanden, nahmen den Turmbau in Angriff. Die Steinquader wurden im Sandsteinbruch „Mönkeberg“, etwa in halber Höhe des Köterberges, gebrochen, unter Gefahren wegen der Abschüssigkeit des Geländes und Schwergewicht der Steine mit Pferd und Wagen zum Kirchplatz befördert. Dort wurden sie behauen und verbaut.

Sparsam, wie die Bödexer nun einmal sind, wurde der Helm des Dachreiters dem Turm als krönender Abschluss aufgesetzt. Er ist ebenso wie das Kirchengebäude mit Sollingsteinplatten gedeckt.

Der Maler und Kunstmaler Hans Werdehausen, dessen Eltern aus Bödexen stammten und dessen Bilder im Guggenheim-Museum New York und in der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ vertreten sind, hat die Kreuzigungsgruppe im Chor geschaffen. Er gehörte zu den Künstlergruppen „junger westen“ und „Informel“.

Unter seiner Leitung wurde in den Jahren 1946/1947 das Innere dieses Kirchengebäudes behutsam generalüberholt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges verschwand der graue und im Laufe der Jahrhunderte nachgedunkelte eher ornamentale Innenanstrich und wich einer hellen Farbgebung. Die Dachbalken bekamen farbige Kanten und das Kircheninnere wirkte einladend und feierlich. Erzkonservative Gemeindemitglieder behaupteten allerdings, Hans Werdehausen habe aus der Kirche ein Kino gemacht.

Der Johannes unter dem Kreuz hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Hans Werdehausen. Ich habe ihn einmal darauf angesprochen und gefragt, ob es sich um ein Selbstbildnis handele. Er hat dies nicht dementiert.

Noch einmal muss ich auf die tüchtigen und verlässlichen Maurer von Bödexen zurückkommen. Auf dem Kirchengrundstück befindet sich auch die im Jahre 1933 von den Maurerpolieren Franz Stukenbrock und Franz Ostermann errichtete Lourdes-Grotte. Beide Fachleute waren zu dieser Zeit wieder einmal arbeitslos und ließen sich von dem damaligen Bödexer Lehrer Fritz Hoppmann anregen, unter Verwendung von Quellgestein, das bei Iburg, Region Osnabrück, gebrochen wurde, ein besonderes Schmuckstück zu schaffen. Beide Maurer waren starke Persönlichkeiten, jeder mit eigenem Arbeitsstil. Das zeigte sich alsbald an dem Grottenbauwerk, so dass die linke Seite der Grotte und die rechte Seite nicht recht zueinander zu passen schienen. Die beiden Baupraktiker beschlossen deshalb, täglich ihren Arbeitsplatz von rechts nach links zu wechseln, damit der Grottenaufbau nicht zwei verschiedene Stilrichtungen erhielt.

Hier versuchte also nicht der eine oder andere, seine Sicht und Arbeitsweise als allein richtig durchzusetzen, sondern man arrangierte sich und schuf ein einmaliges, das Dorf bereicherndes Denkmal, man möchte es fast wegen der besonderen Struktur des Baumaterials als ein wenig exotisch bezeichnen.

Außerdem haben diese beiden Erbauer, die natürlich von weiteren Maurern und Hilfsarbeitern des Dorfes unterstützt wurden, aus der damaligen Not der Arbeitslosigkeit eine Tugend gemacht und statt zu resignieren, der Gemeinde ein einmaliges und unvergessliches Geschenk gemacht.

An der Einweihungsfeier dieser Lourdes-Grotte vom 3.-6. Juni 1933 nahm der „Bödexer Verein“ aus Bochum mit 135 Personen (!) teil. Franz Stukenbrock war später Bauunternehmer in Münster und Gründungsmitglied im Förderverein.

In den 1960er Jahren hatte die Katholische Kirchengemeinde St- Anna Bödexen ein neues Kirchengebäude an anderer Stelle errichtet und in Nutzung genommen. Das historische Kirchengebäude sollte abgerissen werden und der Kirchhügel eingeebnet werden. Das historische Kirchengebäude wurde nicht mehr benötigt. Es hatte ausgedient.

Das war die Geburtsstunde des Fördervereins! Wir konnten uns den Ort Bödexen ohne das historische Kirchengebäude mit dem markanten Kirchturm und der Lourdes-Grotte nicht vorstellen. Ein Abbruch dieser Baulichkeiten hätte – um die Worte eines Vorstandsmitgliedes des Fördervereins zu gebrauchen – den Gesichtsverlust für unser Dorf bedeutet.

Tatsächlich prägt das historische Kirchengebäude, an erhöhter, dominanter Stelle der Gemeinde gelegen, das Orts- und Landschaftsbild. Die Einmaligkeit des Renaissance-Bauwerkes mit dem eigenwilligen Turm bindet den Blick beim Betrachten der gefälligen Hügellandschaft unter dem Köterberg. Dieses Bauwerk fügt sich bereitwillig in die Landschaft ein ohne zu stören. Bei einem Abbruch des Bauwerkes hätte das Dorf einen Verlust erlitten, der es anonymer und verwechselbarer gemacht und ihm einen wesentlichen Teil seiner Individualität genommen hätte.

Die Alternative zum Denkmalserhalt wäre wohl der Abriss sämtlicher aufstehenden Gebäude auf dem Kirchengrundstück, die Einebnung des Kirchenhügels und die Aufstellung von vielleicht zwei Gartenbänken in einem Minipark gewesen, für dessen Pflege sich niemand verantwortlich gefühlt hätte.

Im Gespräch war auch, dort eine Tankstelle zu installieren.

In dieser Situation war es nicht schwierig, für den Bestand des Ensembles zu plädieren und gleichgesinnte Heimatfreunde für den Erhalt des Kulturdenkmals zu finden. Aber niemand wusste, woher die finanziellen Mittel kommen sollten, die für die Rettung des Gebäudes unabdingbar waren. Den Gründungsmitgliedern des späteren Fördervereins war nicht einmal bekannt, in welcher Höhe erste Reparatur- und Erhaltungskosten anfallen würden. Es bestand erheblicher Rückstau von Reparaturarbeiten an „Dach und Fach“.

Als ein außerordentlicher Glücksfall sollte es sich erweisen, dass uns der damalige Stadtdirektor von Höxter, Herr Walther Anderson, an Herrn Dipl.-Ing. Heinrich Stiegemann, Dombaumeister in Paderborn, den Vater des heute bei uns weilenden Professors Dr. Christoph Stiegemann, hinwies, der fachlich als Architekt zu Renovierungskosten und zum Erzielen eventueller Landeszuschüsse für Denkmalszwecke Hilfestellung leisten könnte.

Da der damalige Generalvikar, Herr Bruno Kresing, dem Erhalt des historischen Kirchengebäudes kritisch, d. h. ablehnend, gegenüberstand, war es uns zunächst nicht einleuchtend, dass von der oberen Kirchenbehörde und dem Dombaumeister von Paderborn Hilfe für den Förderverein kommen sollte. Wir nahmen dennoch den Kontakt auf und  stießen bei Herrn Heinrich Stiegemann auf einen sehr verbindlichen, aber auch kritischen Fachmann, der zunächst einmal davon überzeugt werden musste, dass hier nicht ein Strohfeuer loderte, sondern nachhaltig und ernsthaft um den Erhalt des Kirchengebäudes gerungen wurde.

Als wir Herrn Heinrich Stiegemann dies schlüssig darlegen konnten und er sich bei seinen Besuchen von der Besonderheit und Schönheit des Kirchengebäudes und der prägenden Bedeutung für das Ortsbild überzeugen konnte, hatten wir mit ihm nicht nur einen hochqualifizierten Fachmann, sondern einen väterlichen Freund zu Seite, dessen Name uns manche Behördentür öffnete. Seine Ratschläge zu Sanierungs- und Konservierungsmaßnahmen waren wertvoll, seine Honorare waren bescheiden. Ohne Herrn Heinrich Stiegemann hätten wir den Zugang zu Fördermitteln der öffentlichen Hand nicht gefunden und wären auf taube Ohren gestoßen. Sein Name öffnete uns manche Tür. So sage ich heute uneingeschränkt:

Herr Heinrich Stiegemann aus Warstein hat sich um diese historische St.-Anna-Kirche in Bödexen verdient gemacht. Sein Name wird mit der historischen St.-Anna-Kirche dauerhaft verbunden sein.

Tatsächlich war die Finanzsituation des Fördervereins vor dem Tätigwerden von Herrn Heinrich Stiegemann desolat. Sie gestattete nur die Sicherung des vorhandenen Bestandes und die Verwaltung des Mangels.

Der Einsatz des Fördervereins zum Erhalt des Ensembles beeindruckte wohl auch Herrn Stiegemann. Eine anfangs noch angedeutete Skepsis über das Durchhaltevermögen des Fördervereins verlor sich und es ergaben sich persönliche Verbundenheiten mit ihm, die auch er förderte.

Doch wenden wir uns wieder dem eigentlichen Anlass des heutigen Festaktes, dem historischen Kirchengebäude St. Anna bzw. dem Grundstück, auf dem dieses Gebäude steht, zu.

 

Was hat uns bestärkt, vor 25 Jahren den Förderverein für dieses „in die Jahre gekommene Gotteshaus“ zu gründen und seinen Fortbestand zu sichern?

Ich habe bereits bemerkt, dass dieses Bauwerk das Ortsbild von Bödexen prägt. Niemand, der aus dem westlichen Nachbarort Fürstenau oder dem östlichen Nachbarort Albaxen den Ort Bödexen passiert, kommt an diesem Denkmal vorbei, ohne von seiner gelassenen Harmonie Kenntnis zu nehmen. Aber auch überörtlich prägt dieses Bauwerk das Landschaftsbild im südlichen Hügelgelände des Köterberges und im Kulturland Höxter-Corvey durch seinen hervorgehobenen Standort.

Wer an Bödexen denkt, sieht auch die alte Kirche mit dem prägnanten Turm und der Lourdes-Grotte. Alles passt in diesem Ensemble. Diese Aufbauten befinden sich auf einem Grundstück, das aus zwei Parzellen besteht und insgesamt 1.112 Quadratmeter groß ist. Auf diesem Grundstück wurden in der Vergangenheit jahrhundertelang – bis zur Anlage des Friedhofs Am Mühlenberg – die Verstorbenen der Gemeinde bestattet. Bei den Sanierungsarbeiten am Außenputz kamen wiederholt im Grundbereich alte bzw. uralte menschliche Gebeine zum Vorschein. Das Grundstück und das Kirchengebäude sind deshalb auch emotional innig mit dem Ort und seinen Bewohnern bzw. Vorfahren verbunden. Bei einem Abbruch des Kirchengebäudes und damit verbunden mit einem Abtrag des Kirchhügels wäre mithin eine Störung der Totenruhe verbunden gewesen.

Sie sehen: Der Erhalt des Kirchengebäudes in der heutigen Form beruht nicht auf einem einheitlichen Beschluss, sondern wurde immer wieder mit vielen Varianten diskutiert und überlegt. Wir hatten kein Vorbild und keine Anleitung zum Erhalt. Doch eines wussten wir: Was Generationen vor uns als Ausdruck einer bestimmten Lebensart und Geisteshaltung geschaffen und hochgehalten hatten, durften wir nicht einfach so vernichten und dem Erdboden gleich machen: Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen! Identifiziere dich damit und mache etwas daraus!

Die Frage nach dem Wert und der Bedeutung dieser Gesamtanlage für mich oder die Dorfgemeinschaft beantworte ich freimütig:

Die Kirche mit ihrem unverwechselbaren Turm und dem beeindruckenden Fresko von Hans Werdehausen, dem Friedhof, der die Kirche umgibt, und die Lourdes-Grotte bilden ein stimmiges Ensemble.

Hier gilt die Aussage des Griechen Aristoteles, der gesagt hat: „Das Ganze ist mehr als nur die Summe seiner Teile.“

Die Gesamtanlage Alte Kirche ist eine gelungene Komposition, in der sich alle Teile zu einem harmonischen Ensemble ergänzen. Hier fügen sich Friedhof, Kirche und Grotte zu einem von Generationen geschaffenen und gepflegten kulturellen Erbe.

Ich schließe meine Ausführungen in dem Bewusstsein, mich vor 25 Jahren richtig, nämlich positiv im Förderverein mit gleichgesinnten für den Erhalt der Gesamtanlage um die alte Kirche entschieden und eingesetzt zu haben.

Sie sehen, das Gebäude befindet sich heute in gutem Zustand. Das ansprechende und ortstypische Sandsteindach wurde erst kürzlich sowohl am Turm als auch am Kirchengebäude generalüberholt. Der die Kirche umgebende Friedhof ist gepflegt. Der Hahn auf dem Turm glänzt ermutigend in der Sonne.

Der Verein ist auch nach 25-jähriger Tätigkeit weiterhin aktiv. Die Stadt Höxter ist am Erhalt des Ensembles ebenfalls interessiert. Der Vereinsvorsitz ist inzwischen auf Stefan Berens und damit auf die nächste Generation übergegangen, die ebenfalls engagiert den Erhalt und die Pflege der Anlage betreibt. Die übrigen Vorstandsmitglieder sind rührig, insbesondere der 2. Vorsitzende Gisbert W. Hundacker, der Erfinder und souveräne Arrangeur des alljährlich stattfindenden und inzwischen überregional bekannten Bödexer Ostereiermarktes, halten die historische St.-Anna-Kirche im Fokus.

Als Mitglied der Gründergeneration dieses Fördervereins sage ich heute „jucundi acti labores“, zu deutsch: angenehm sind erledigte Arbeiten.

Ich wünsche mir abschließend, die Mitglieder des Fördervereins würden nicht schwinden, wie es tatsächlich der Fall ist. Das liegt nicht an internen Querelen, die gibt es nicht, sondern daran, dass die Gründungsmitglieder einfach aussterben und bedauerlicherweise trotz der erfolgreichen und positiven Bilanz des Vereins jüngere Leute nur zögerlich den Weg zum Beitritt finden. Die Höhe des Vereinsbeitrages kann m. E. kein Grund dafür sein. Er beträgt jährlich gerade mal 15,- Euro und ist auch noch einkommenssteuerlich relevant.

Ich bitte daher ganz persönlich und für den Förderverein alle Bödexer und alle, die dem in die Jahre gekommenen Kirchlein Sympathie entgegenbringen, einen Beitritt zum Förderverein oder die Leistung von Spenden ernsthaft zu überdenken. Was das Baudenkmal, die historische St.-Anna-Kirche in Bödexen, dem Staat, der mit ganz erheblichen Fördermitteln zum Erhalt beigesteuert hat, wert ist, sollte es auch jedem Bödexer Einwohner wert sein.

Ich begrüße daher die Initiative des Bundes Heimat und Umwelt in Deutschland, des Westfälischen Heimatbundes die „Dorfkirche“ zum Kulturdenkmal des Jahres 2005 zu erklären. Der Heimatbund bzw. Bund Heimat und Umwelt in Deutschland wird in allernächster Zeit ebenfalls in diesem, in die Jahre gekommenen Kirchlein tagen.

Unserer jahrhundertealten Dorfkirche, dem heutigen historischen St.-Anna-Kirchengebäude und dem Förderverein wünsche ich heute abschließend „vivat, crescat, floreat“.  

 

Zur Geschichte der Bödexer Kirche

Von Stadtarchivar Dr. Joachim Brüning

Bevor wir uns mit dem Kirchenneubau in Bödexen vor 300 Jahren genauer befassen, ist es nützlich, ein wenig die Geschichte von Bödexen und des benachbarten Fürstenau zu betrachten, weil beide Orte zeitweilig eng miteinander verbunden waren.

Bödexen gehört zu denjenigen Corveyer Orten, die schon sehr früh genannt werden. In den ältesten Corveyer Traditionslisten kommt es bereits vor, etwa gegen 840. In einer Urkunde vom Jahr 1185 tritt der Bischof von Paderborn Rechte an der Mark Bödexen an den Abt von Corvey ab. Die Erwähnung einer Mark setzt voraus, dass die genossenschaftliche Organisation der Nutzung von Feld und Wald zu einem gewissen Abschluss gekommen ist. Bei der Einteilung des Bistums Paderborn in Archidiakonate im Jahr 1231 erscheint Bödexen als Pfarrei im Archidiakonat Höxter.

Fürstenau dagegen tritt erst relativ spät in das Licht der Geschichte. Die erste Nennung des Ortes überhaupt stammt aus dem Jahr 1241. Zu unbestimmter Zeit haben dort die Äbte von Corvey eine Burg gebaut, offenbar wegen der Grenzlage gegen Paderborn bzw. Lippe. Die Burg wird im Jahr 1348 zum ersten Mal erwähnt. Dass Fürstenau erst so spät in Urkunden erscheint, könnte man mit der Zufälligkeit der erhaltenen Nachrichten erklären. Doch möchte man andererseits annehmen, dass die Besiedlung Fürstenaus erst zu einer Zeit erfolgte, als die fruchtbaren und besser gelegenen Landstriche an der Weser längs der Bachläufe bereits vergeben waren, dass sie also auch absolut später stattfand.

Durch die Errichtung der Burg, vielleicht auch aus anderen, uns unbekannten Gründen, hat dann Fürstenau den Ort Bödexen an Bedeutung, sicher auch an Bevölkerungszahl, überflügelt, so dass Bödexen seinen Pfarrsitz an Fürstenau abtreten musste. Doch haben wir über den Zeitpunkt dieser Veränderung keinerlei Nachrichten. Als im Jahr 1549 eine allgemeine Visitation im Bistum Paderborn angeordnet wurde, amtierte Heinrich Storck als Pfarrer in Fürstenau; er ist der erste, der uns dort bekannt ist. Bödexen war damals keine selbständige Pfarrei mehr, sondern nach Fürstenau eingepfarrt. Wegen der geringen Entfernung zwischen beiden Orten bot das auch keine besondere Schwierigkeit.

Man denke etwa an Albaxen und Stahle, die bis zum Jahr 1669 auch eine einzige Pfarrei bildeten. Das Hauptargument für die Zusammenlegung von Fürstenau und Bödexen dürfte die sehr geringe Dotierung der Pfarrstellen gewesen sein; bei Zusammenlegung hatte der Pfarrer auskömmliche Einkünfte. Aus dem gleichen Grund ist auch in späterer Zeit, zwischen 1811 und 1825, die Gemeinde in Bödexen noch einmal mit der in Fürstenau vereinigt gewesen. Die lange Zeit andauernde Zusammengehörigkeit beider Ortschaften zeigt sich auch darin, dass die Kirchen der Hl. Anna geweiht sind. Als Fürstenau Pfarrort wurde, wanderte das Patrocinium mit dorthin.

Was nun die Veranlassung gab, am Ende des 17. Jahrhunderts in Bödexen eine neue Kirche zu bauen, entzieht sich unserer Kenntnis – man muss ganz allgemein sagen, dass die Quellen längst nicht all das enthalten, was wir gern wissen möchten. Es hat den Anschein, dass Abt Christoph von Bellinghausen ein besonderes und ganz persönliches Interesse an dem Ort gehabt hat. So bemühte er sich nicht nur um den Bau der Kirche, sondern auch um den Erwerb von Grundbesitz, um damit die Pfarrei zu dotieren und dem Pfarrer die nötigen Existenzmittel an die Hand zu geben. Unter seinen Nachfolgern hat dieses Interesse für den Ort Bödexen offenbar nachgelassen. Wir hören davon, dass die von Abt Christoph erworbenen und für den Pfarrer bestimmten Grundstücke wieder von den Vorbesitzern in Nutzung genommen wurden. Zu einer offiziellen Fundation einer Pfarrei ist es offenbar nicht gekommen. So hat es denn noch lange gedauert, bis Bödexen wieder selbständige Pfarrei wurde. Franz Xaver Rempe aus Paderborn war der erste Pfarrer, der unter Fürstabt Philipp von Spiegel wohl im Jahr 1768 eingesetzt wurde.

Um nun auf den Bau der Kirche einzugehen, so liegen mehrere Nachrichten darüber vor. Im Generalvikariatsarchiv zu Paderborn liegt ein Heftchen, das offenbar ein Bruchstück einer Abtsgeschichte ist. Im 60. Kapitel, das Abt Christoph gewidmet ist, heißt es dort zum Jahr 1681: „Den … April fingen sie an, die weiland zu Böxen in die Ehre der hl. Anna aufgebaute, aber ganz verödete Kirche wieder von Grund an aufzuführen“. Es wird dann weiter erzählt, der Bau sei infolge eines Gelübdes von Abt Christoph erfolgt, als durch einen glücklichen Umstand die Lieferung von 150 Stück Rindvieh an das französische Militär nicht nötig war. Die Quelle weiß weiter: „Diese Kirche ist ehemals die rechte Pfarrkirche gewesen, hat aber nachgehends mit Fürstenau umtauschen müssen, und die Mutter also der Tochter untertänig worden“.

Ausführlicher berichtet das sog. Diarium Corbeiense, ein dickleibiger Folioband von über 500 Seiten, der eine Fülle von Nachrichten aller Art aus der Zeit von etwa 1660 bis 1705 enthält. Dort wird zum 27. Juli 1683 bemerkt, der Abt habe allen Mönchen erlaubt, die in Bödexen neu errichtete Kirche zu besichtigen. Diese sei elegant und solide gebaut, mit sechs großen Glasfenstern, der Altar sei aus Corvey, wo er auf dem Johannichor gestanden habe, dorthin gebracht, und der Turm sei mit zwei Glocken versehen, von denen die eine immer im Ort gehangen, die andere aus dem Turm der Corveyer Krypta entnommen sei. Der Turm endige nach oben hin nicht spitz, sondern rund.

Weiter heißt es wörtlich: „Am  1. August, welcher der erste Sonntag des Monats war, hat unser gnädigster Fürst unsere Kirche (oder Kapelle) in Böxen, welche er selbst zu Ehren der hl. Anna, Mutter der seligen Jungfrau Maria, hat bauen lassen, feierlich eingeweiht“. Weiter wird berichtet, dass alle zur Weihe nötigen Dinge am Vortag von Corvey nach Bödexen gebracht wurden. Acht oder neun Mönche waren anwesend, die Weihezeremonie dauerte von morgens neun bis mittags ein Uhr. In einem benachbarten Haus hatte der Corveyer Koch eine Mahlzeit bereitet, und gegen Abend zogen alle wieder nach Corvey zurück.

Über die Weihe wird auch an anderen Stellen berichtet mit der Ergänzung, dass der päpstliche Nuntius in Köln, Opitius Pallavicini, Bischof von Ephesos, dem Abt die Vollmacht zur Weihe erteilt habe, und dass der Abt als Tag der Kirchweihe, den auf das Fest der hl Anna folgenden Sonntag festgesetzt habe.

Das Diarium berichtet später noch mehrfach, dass Abt Christoph nach Bödexen gegangen ist, um dort die Messe zu lesen. Der uns leider unbekannte Schreiber des Diariums hat den Abt begleitet, und sein Text erweckt durchaus den Eindruck, dass ihm dieser Weg schwergefallen ist, zumal der Abt und sein Begleiter nüchtern waren und erst nach Rückkehr eine Stärkung zu sich nahmen. Ganz ähnlich ist der Abt Christoph auch öfters zum Heiligenberg bei Ovenhausen gegangen, um dort die Messe zu lesen. Er war nicht nur ein frommer Priester, sondern auch ein rüstiger Fußgänger.

Diese Nachrichten lassen einige Schlüsse oder Vermutungen zu, so etwa die, dass er die Kirche aus eigenen Mitteln gebaut hat. Das war insofern ungewöhnlich, als der Kirchenbau üblicherweise Sache der Gemeinden war. Weiter könnte man mit aller Vorsicht vermuten, dass gelegentlich noch Gottesdienste in Bödexen stattfanden, oder doch bis kurze Zeit vor dem Neubau möglich waren. Dass es noch eine Glocke gab, und dass von einem verödeten, verfallenen Bau die Rede ist, dass also noch eine Ruine vorhanden war, lässt das doch wenigstens als möglich erscheinen. Das große Interesse des Abtes an seiner Neugründung zeigen seine mehrfach bezeugten Besuche in Bödexen, die er zu Fuß abstattete, die also offenbar einen frommen Zweck, etwa ein Gelübde, erfüllten. Der Fürstabt von Corvey hätte es natürlich bequemer haben können, etwa zu Pferd oder in der Kutsche, aber er wählte absichtlich den Fußmarsch.

Schließlich ist noch ein Rest einer Abrechnung zu behandeln, die den Neubau der Bödexer Kirche betrifft. Es handelt sich hier um eine Abschrift, die in einem sog. Kopionale, also einer Sammlung von Brief- und Urkundenabschriften des Abtes Christoph enthalten ist. Vielleicht ist das eine Bestätigung für die Ansicht, dass der Bau von Abt Christoph aus eigenen Mitteln erfolgte.

Leider ist die Abrechnung nicht vollständig, es fehlen die Dachdeckerarbeiten, fast alle Materialien (außer Nägeln), die Löhne für die Sägenschneider etc. Dennoch ist die Rechnung von hohem Interesse, zumal auch für die Einkommensverhältnisse der Handwerker. Den höchsten Betrag macht die Maurerarbeit aus, wozu auch die Arbeit der Steinbrecher gerechnet wird und die der Kliesterer. Kliestern ist gleichbedeutend mit Pliestern, d. h. dem Umwickeln der Balken mit Stroh und anschließendem Verputzen, um die Balken schön gleichmäßig und viereckig erscheinen zu lassen, da sie von den Zimmerleuten offenbar nur sehr roh zubehauen wurden. Die Arbeit hatte Meister Elias übernommen, den wir also als Bauunternehmer bezeichnen dürfen. Sein Hausname wird nicht genannt, es war aber sicher der in Höxter ansässige Meister Elias Keveler, der uns öfters in dieser Zeit als Maurer begegnet. Er stammte aus Tirol, hatte sich am 1. September 1680 in Höxter verheiratet und starb zu Höxter am 18. April 1720. Seine Mitarbeit ist außer in Bödexen nachweisbar bei den Kirchenbauten in Godelheim, Albaxen, Lüchtringen und auf dem Heiligenberg. Er hat 20 Wochen gearbeitet, ebenso vier Handlanger, die einen Tagelohn von sieben Groschen erhielten. Auch waren vier Steinbrecher beschäftigt. Die Gesamtsumme für die Maurerarbeiten, also den Rohbau, betrug 271 Taler 10 Groschen und 4 Pfennig.

Als Zimmermeister war Meister Andreas tätig, er verdiente an 29 Tagen täglich 12 Groschen, mehrere Hilfskräfte, wohl Gesellen, bekamen täglich 8 Groschen, während die Holzhauer nur einen Tagelohn von 7 Groschen hatten. Die gesamte Zimmerarbeit erforderte den Betrag von 47 Talern 27 Groschen.

Der Glasmacher Bernd Düsterdiek erhielt für die Verglasung von sechs Fenstern 23 Taler 18 Groschen.

An Nägeln wurden insgesamt für 46 Taler 3 Groschen verbraucht, der Nagelschmied wird leider nicht genannt. Die Nägel wurden in der Zeit von Juni bis September 1682 geliefert, in erster Linie für die Decke und den Turm.

Der letzte Posten betrifft die Anstreicherarbeit, also Knopf, Kreuz und Hahn auf dem Turm sowie zwei Kreuze auf beiden Seiten der Kirche, der Preis betrug 8 Taler 30 Groschen.

Schließlich folgt noch ein erheblicher Betrag für Zehrung an Bier, Brot und anderen Speisen im Wirtshaus, einschließlich der Kosten anlässlich der Kirchweihe, insgesamt 58 Taler 30 Groschen. Diese Teilrechnung beläuft sich auf 617 Taler 20 Groschen, sie ist aber, wie schon gesagt, nicht vollständig. Als Gesamtkosten für einen Kirchenbau ohne die Einrichtung dürfen wir, wie andere Beispiele zeigen, etwa 600 bis 900 Taler, je nach der Größe ansetzen. Festzuhalten ist, dass ein Meister täglich 12 Groschen, das ist ein Drittel Taler, verdiente. Ein Geselle bekam 8 Groschen, also ein Viertel Taler, ein Handlanger 7 Groschen, das dürfte dem Satz für einen ungelernten Arbeiter, einen Tagelöhner entsprechen.

Man könnte hier abbrechen: Eine Reihe von Nachrichten über den Neubau der Kirche wurden aufgezählt und kommentiert. Es fehlen aber noch einige zum Verständnis des Kirchenbaus vor 300 Jahren ganz wesentliche Momente. Man darf nämlich den Bau nicht isoliert sehen, sondern muss ihn in den zeitlichen und historischen Umkreis einzuordnen versuchen.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren die Kirchen im Corveyer Land in beklagenswertem Zustand. Die Visitationsberichte aus dieser Zeit – soweit erhalten – bieten da erschreckende Einzelheiten. Nicht nur direkte Zerstörungen, eher noch jahrelange Vernachlässigung und Unterlassung nötiger Reparaturen hatten an der Bausubstanz gezehrt. Dass Bänke, Altäre, Orgeln, ja sogar die Glocken von den Soldaten zerstört bzw. geraubt worden waren, wird uns vielfältig berichtet. Wir können daher eine ganze Welle von Neubauten und Wiederherstellungen der Kirchengebäude feststellen, ebenso die Beschaffung neuen Kircheninventars.

Dass seit Kriegsende 1648 eine geraume Zeit verging, is es zum Wiederaufbau der Kirchen kam, ist nur zu verständlich. Die wirtschaftliche Situation war so trostlos, dass erst eine Zeit der Erholung nötig war, bevor man ans Werk gehen konnte. Behausungen für Menschen und Vieh wieder herzurichten, war die dringlichste Aufgabe, die Gotteshäuser mussten da noch eine Zeit warten. Da im Corveyer Land der Kirchenbau Sache der Gemeinden war, kamen von Corvey aus weniger finanzielle Hilfen – die Abtei war seit 1667 mit dem Kirchenbau und seit 1699 mit dem Klosterbau in eigener Sache genügend engagiert -, vielmehr eher Anregungen und Hilfen ideeller Art.

Die Wiederherstellung schon bestehender Kirchen übergehen wir hier, wir betrachten nur die Gruppe völliger Neubauten, sieben an der Zahl, die zwischen 1681 und 1726 errichtet wurden. Die Kirchen in Bödexen und Ovenhausen wurden durch Abt Christoph von  Bellinghausen in den Jahren 1683 bzw. 1685 geweiht. Erst gegen Ende seiner Regierungszeit erfolgt ein weiterer Neubau in Stahle, dessen Weihe Christophs Nachfolger, Abt Florenz von dem Velde, 1697 vornahm. Dieser Abt baute und weihte ferner die Kirchen in Albaxen 1698, Godelheim 1699 und Lüchtringen 1700. Die Kapelle in Blankenau, von Abt Florenz noch begonnen und von seinem Nachfolger Abt Maximilian 1714 beendet, gehört nicht zu der engeren Gruppe und soll hier nur erwähnt werden. Unter Abt Maximilian erfolgte in seiner kurzen Regierungszeit kein Neubau. Abt Carl von Blittersdorf hat dann die Kirche in Bosseborn 1726 geweiht und die Kirche in Stahle erweitert. Damit haben wir die Gruppe von sieben Neubauten aufgezählt. Die Neubauten in Bruchhausen 1702, Wehrden 1699, geweiht 1704, und Blankenau 1714/6 übergehen wir hier, da sie sich von der Gruppe der sieben Neubauten mehrfach unterscheiden. Godelheim rechnen wir zu der Neubaugruppe, obwohl es eigentlich ein Erweiterungsbau ist, weil der Bau genau den übrigen Neubauten entspricht.

Das genannte Kennzeichen dieser Gruppe besteht darin, dass es schlichte, einfache Saalkirchen waren mit eckigem Chor (außer Bödexen), flacher Balkendecke und nur mit einem Dachreiter versehen anstatt eines Turmes. Nur die erste Kirche aus dieser Gruppe, die zu Bödexen, hat einen runden Chorabschluss, alle folgenden einen eckigen. Die Vereinfachung erfolgte offenbar deshalb, damit auch die einfachsten Handwerker mit der Errichtung eines solchen Baus keine Schwierigkeiten haben sollten.

Bei diesen ganz schlichten, beinahe ärmlichen Kirchen war die Sparsamkeit am Bau sicherlich ein Hauptgedanke. Ebenso wichtig war es, dass diese Bauten technisch keine Schwierigkeiten boten. Da kein Gewölbe oder sonst schwer zu bewältigende Einzelheiten vorkamen, war es nicht nötig, Handwerker von außerhalb zu engagieren. Man baute also billiger, und das Geld blieb im Lande. Ein dritter, wesentlicher Vorteil dieser schlichten Bauten war, dass man durch leicht vorzunehmende Veränderungen in Länge oder Breite die Kirche dem tatsächlichen Platzbedarf der einzelnen Ortschaften variabel anpassen konnte. Es waren dazu nicht immer neue Pläne erforderlich, ein einfacher Riß genügte, um den Handwerkern die nötigen Maße anzugeben.

Bei den Neubauten in Bödexen und Ovenhausen hören wir, dass der Corveyer Konventuale Adelhard vom Bruch mitgewirkt hat, er wird geradezu als Architekt bezeichnet. Ob damit der Planer und Bauleiter im heutigen Sinn oder eher der finanzielle und technische Organisator gemeint ist, lässt sich nur schwer entscheiden. Eher ist wohl das letztere der Fall, denn Adelhard vom Bruch hat sicher keine Spezialausbildung gehabt. Er war aber sehr erfahren auf diesem Gebiet, da er seit 1669 Oberforstmeister und Aufseher der Bauten war, also in erster Linie des Corveyer Kirchenneubaues. Er starb am 14. Dezember 1700.

Die sparsame und schlichte Gestaltung der neuen Kirchen kontrastiert in überraschender Weise zu der oft recht qualitätvollen Ausstattungen im Innern. In Albaxen, Godelheim und Bosseborn sind noch kostbare Altäre aus der Bauzeit erhalten geblieben. Nur am Rande sei bemerkt, dass auch schon bestehende Kirchen in der Barockzeit mit neuen Altären versehen wurden, einer der schönsten steht in Brenkhausen, auf das Jahr 1690 datiert. Der Altar der Bosseborner Kirche ist laut Vertrag nach dem Muster des Blankenauer Altares gearbeitet. Auch dieser ist noch vorhanden. Beide stammen aus der Werkstatt der Bildhauerfamilie Papen in Giershagen. Die Gegenüberstellung beider Altäre ergibt nicht nur die enge Verwandtschaft, wie sie der Vertrag verlangt, sondern auch den interessanten Effekt, dass der Bosseborner Altar farbig gefasst ist, der in Blankenau aber nicht. Bei ihm bildet nur das helle Lindenholz der Figuren einen farblichen Kontrast zu dem dunkleren Eichenholz der Altarstruktur. Die Bildhauer Heinrich und Christoph Papen, Vater und Sohn, die im Corveyer und Paderborner Land viele Arbeiten hinterlassen haben, gehörten zu den besten Künstlern Westfalens zu dieser Zeit.

Die Altäre sind oft Geschenke der Äbte gewesen, dadurch leisteten sie einen Beitrag zu den Kosten der Kirchenbauten, die ja Sache der Gemeinden waren. Aber auch darüber hinaus haben die Äbte meistens noch Zuschüsse zu den Baukosten gegeben, und, wie das Beispiel Bosseborn lehrt, Corvey übernahm häufig die Verträge mit den Unternehmen, die Abrechnung und die Finanzierung durch Gewährung von Vorschüssen. Somit war die Mitwirkung bei den Kirchenbauten doch recht erheblich.

Obwohl die Neubauten dieser Zeit erst 300 Jahre oder weniger zurückliegen, so sind sie längst nicht mehr alle erhalten – zumindest nicht in der Form, in der sie errichtet wurden. Die Kirchen in Albaxen und Stahle sind durch Erweiterungsbauten mehr oder weniger verändert worden. In Lüchtringen und Ovenhausen sind 1903 bzw. 1958 Neubauten an die Stelle der barocken Kirchen getreten, von der alten Ausstattung ist dort nur wenig erhalten geblieben. In Godelheim ist der barocke Erweiterungsbau durch einen wenig passenden modernen Anbau ersetzt worden, der prachtvolle Hochaltar blieb aber erhalten. Nur Bosseborn ist, von einem Sakristeibau abgesehen, unverändert geblieben.

Auch die Bödexer Kirche wäre wohl abgerissen worden, wenn nicht der Neubau an anderer Stelle errichtet worden wäre. Der alte Bau war im Jahr 1863 durch einen Anbau nach Westen und 1896 durch den Sakristeibau erweitert worden. Doch betraf das kaum die alte Bausubstanz, da nur die Westfassade wegfiel. Gravierender war die Veränderung von 1923, als im Westen ein Kirchturm angebaut wurde, bei dem aber der alte Dachreiter offenbar wieder verwendet worden ist durch Umsetzung. Der Bau von 1681/3 ist durch seinen Putz gut abgesetzt gegen die Anbauten, deren Bruchstein sich unverputzt dem Auge darstellt.

Der Barockbau wurde an einer besonders exponierten Stelle errichtet, die dem talaufwärts kommenden Betrachter ein sehr eindrucksvolles Panorama bietet mit der Kirche als krönendem Abschluss der ansteigenden Ortslage. Die Situation der Kirche eher am Ortsrand ist sicher mit vollem Bewusstsein vom Bauherrn gewählt worden, um eben diesen Effekt für das Ortsbild zu erreichen. Die Barockzeit wusste ihre Bauten besonders wirkungsvoll der Landschaft anzupassen und mit ihnen bedeutende Akzente zu setzen.

Es unterliegt gar keinem Zweifel, dass ein Abbruch der alten Kirche für das Ortsbild einen nicht wieder gutzumachenden Verlust bedeuten würde; was könnte dort einen gleichwertigen Ersatz bieten? Da die Bödexer Kirche zeitlich an der Spitze jener sieben Neubauten der Barockzeit steht, die zwischen 1683 und 1726, wie oben dargelegt, entstanden sind, so ist ein Abbruch nicht zu verantworten. Diese Baugruppe hat schon erhebliche Verluste im Lauf der Zeit erlitten; aus der Zeit von Abt Christoph von Bellinghausen würde überhaupt kein Kirchenbau übrigbleiben bei Abbruch der Bödexer Kirche, wenn man von der Kapelle auf dem Heiligenberg absieht und der dem baldigen Verfall entgegensehenden Weinbergskapelle bei Corvey.

Wir haben also nur noch wenige bis in die Barockzeit zurückreichende Kirchen, wir können es uns deshalb einfach nicht erlauben, ein Bauwerk dieser Zeit ohne Not zu vernichten.

Nachdruck eines Vortrages beim Förderverein Hist. Kirchengebäude Bödexen im Monatsheft des Heimat- und Verkehrsvereins Höxter-Corvey Nr. 8/August 1981, 29. Jahrgang