Johannes Todt war Pfarrer und Geistlicher Rat. Er wurde am 4. Februar 1861 in Hagen/Westfalen geboren und verstarb nach kurzer Krankheit und achttägigem Krankenlager am 7. Juni 1957 mit 96 Jahren in Bödexen. Sein Grab war das erste Priestergrab auf dem Friedhof an der später nach ihm benannten Johann(es)-Todt-Straße am Mühlenberg. Bis zum letzten Tag vor dem Krankenlager hatte er mit seiner Gemeinde noch die heilige Messe gefeiert. Am 10. August 1885 wurde er im Hohen Dom zu Paderborn zum Priester geweiht, so dass er im Jahre 1955 das seinerzeit sehr seltene 70-jährige Priesterjubiläum begehen konnte. Er war bei seinem Tod der älteste Priester im Erzbistum Paderborn. Bis August 1952, also bis ins 91. Lebensjahr hatte er die Pfarrstelle an Sankt Anna Bödexen inne.

Seine Wirkungsstätten als Vikar waren Himmighausen, heute Ortsteil von Nieheim, Bochum St. Marien und Atteln-Henklarn, damals Kreis Büren. Als Pfarrer wirkte er in Neuastenberg, heute ein Stadtteil von Winterberg, ca. 680 bis 780 m über NN, sowie über 36 Jahre in Bödexen. Mit außerordentlicher Beständigkeit hat er an seiner letzten Gemeinde gehangen und sie in fast vier Jahrzehnten nur an zwei Tagen verlassen. Er sorgte sich stets um seine Pfarrkinder und war mit allen ihren Nöten vertraut. Selbst über 60 Jahre nach seinem Tod erinnern sich die alten Bödexerinnen und Bödexer noch heute mit Freude und Dankbarkeit an ihn. Manche denken noch daran zurück, wie ihr damaliger Pfarrer mit weißen, gestrickten Handschuhen, aus denen die Fingerspitzen hervorlugten, insbesondere werktags in der im Winter ungeheizten alten St. Anna Kirche die heilige Messe feierte und des Sonntags, auch noch im hohen Alter, vor der Gemeinde stand und predigte. Andere erinnern sich zuerst, wie er im Wechsel seine beiden langen Porzellankopfpfeifen rauchte, die aussahen wie diejenige, die Wilhelm Busch in dem Streich von Max und Moritz mit Lehrer Lempel verewigt hat. Wieder anderen erscheinen zuerst die Bilder vor Augen, wie er im Pfarrgarten mit Imkerhut und Schleier an seinen Bienenstöcken hantierte.

Generationen hatte er auf den Empfang der Sakramente und auf ihre Elternschaft vorbereitet. Moderne Seelsorgsmethoden lagen ihm fern, aber auch ohne diese war er der gute Geist eines jeden Hauses im Dorfe. Mancher Mann, der es zu etwas gebracht hatte und der danach ein ehrsamer Familienvater war, wusste zu erzählen, dass ihn in seiner „Halbstarkenzeit“ der Weg zum alten Pastor geführt hatte, wenn ihn irgendwo der Schuh gedrückt hatte oder das Geld fehlte.

Dazu erzählt man sich noch heute folgende Geschichte: 1933/34 wurde – wie seinerzeit überall in Deutschland – auch in Bödexen die Jugend aktiviert. Einige junge Männer beschlossen zu musizieren und einen Spielmannszug zu gründen. Das war natürlich leichter gesagt als getan.

Eine Flöte kostete damals 3,50 Reichsmark (RM), eine Trommel aber 32,– RM. Zur Einordnung der Kaufkraft in jenen Jahren seien hier nur zwei Beispiele genannt: Ein Glas Bier kostete 15 Pfennig und eine 3er-Packung Zigaretten immerhin 5 Pfennig. Mit der Finanzierung der Flöten klappte es noch vergleichsweise gut; man ging in Bödexen von Haus zu Haus und sammelte im Ergebnis 13,50 RM, einige Würste und etwas Speck usw. Nun brauchte man aber noch eine zusätzliche Trommel, denn im Dorf war bisher nur eine vorhanden. Es wurde überlegt, wie man eine neue Trommel finanzieren könnte und kam bald auf die Idee, vom Pfarrer ein Darlehen in Höhe von 30,– RM zu erbitten. Vom Vereinslokal zog man mutig zum Pfarrhaus. Unterwegs wurde die Abordnung immer kleinlauter und als man dort angekommen war, versuchte einer den anderen als ersten vor die Tür zu schieben. Pfarrer Todt stimmte dem Wunsch nach einer weiteren Trommel schließlich nicht nur zu, er gab auch dafür nicht lediglich ein Darlehen, sondern stiftete für den guten Zweck gleich den erforderlichen Betrag. Ein halbes Jahr später, am 1. Mai 1934, hat er mit Frack und Zylinder vor dem Pfarrhaus stehend die Parade abgenommen und den Klängen „seiner“ Trommel gelauscht. 


Pastor Todt (links) vor dem alten Pfarrhaus

Vielen, besonders kinderreichen Familien, hat er mit dem letzten Verfügbaren geholfen. Manchmal wurde seine Hilfsbereitschaft aber auch ausgenutzt. So ist im Dorf bekannt, dass eine Mutter ihm einmal vorgestöhnt hatte, dass ihrer Familie das Geld fehle, für ihre Tochter ein Kommunionkleid zu kaufen. Auch hier half der alte Pastor, indem er ihr das Geld dafür gab. Als ihm einige Zeit später zugetragen wurde, dass diese Familie kürzlich am Mühlenberg ein Grundstück gekauft und es bar bezahlt hatte, meinte er, dass er das von dieser Familie nicht erwartet hätte und er deshalb sehr enttäuscht sei.

In die Amtszeit von Pfarrer Todt fallen übrigens auch der Bau des Turms der historischen St. Anna Kirche im Jahr 1923 sowie der Lourdes-Grotte, die 1933 eingeweiht wurde. 

Am ersten Maisonntag des Jahres 1957 zog die Gemeinde zu der 1954 von den Männern des Dorfes errichteten Marienkapelle auf dem Kükenkamp (obere Annastraße). Es galt, der Kapelle das von dem Bildhauer Paul Marx aus Lügde-Henkenbrink geschaffene Schutzmantelbild als Herzstück zu übergeben. Bei der Weihe konnte jeder sehen und jedes Kind wusste es damals auf den ersten Blick: Die Priestergestalt, die als erster Vertreter der Gemeinde unter dem Schutzmantel Mariens ihren Platz gefunden hatte, war der „alte Pastor“. Die Männer hatten das Schnitzwerk, bevor es in der Kapelle installiert wurde, in seine Altersklause gebracht, wo er mit der ihm eigenen Gelassenheit davon Kenntnis nahm, dass man ihn unter die Väter und Mütter mit ihren Kindern, unter die Opas und Omas und zur Ordensfrau gestellt hatte.

Wenn Pfarrer Johannes Todt in seinem letzten Lebensjahr seine Klause im Pfarrhaus auch kaum noch verlassen hat, so kamen die Alten und die Jungen und die Kinder und trugen ihm ihre Anliegen vor. Man konnte ihm – so wird noch heute erzählt – dann immer seine Freude anmerken, dass Groß und Klein ihm das gewohnte Vertrauen schenkte, das er selber nie gesucht und bezweckt hatte. So ist „der alte Pastor“ Johannes Todt auch im Jahre 2021 noch in bester Erinnerung.

Josef Forst

Quellen: Westfalen-Blatt vom 11. Juni 1957. Der Dom, Juni oder Juli 1957 (?). Festschrift zum 40-jährigen Bestehen des Spielmannszuges Bödexen 2004. Auskünfte von Bödexerinnen und Bödexern der Jahrgänge 1925-1934. 
Fotos: Sammlung Udo Buch (2), Hundacker (3)